Haus Nr.79  (alt 69)     "Staudingerhaus”

"Ein prachtvoller Bau, der die Harmonie des ländlichen Biedermeier widerspiegelt, noch ganz ohne Renovierungssünden!” So beurteilte einmal ein namhafter Architekt das Staudingerhaus. Der Dachstuhl, der nach dem großen Marktbrand von 1854 errichtet worden war und seither unverändert blieb, erinnert uns mit seiner Lüftungsmansarde noch deutlich an die große Zeit der Ledergerberei.

Erster uns bekannter Besitzer war der Riemer Franz Schmölzer. Er heiratete 1675 Barbara Eder und spielte im öffentlichen Leben als Ratsherr und mehrfach gewählter Marktrichter eine große Rolle. Auf ihn folgte Andreas Schmölzer, der 1708 an Georg Schmautz verkaufte, der auch das Haus Nr.27 besaß und eine Zeitlang zwei Ledererwerkstätten betrieb. Schon 1711 wird aber Johann Carl Lerch als Besitzer genannt. Sein Vater war der Handelsmann Michael Lerch, der seinen Sohn das angesehene Riemerhandwerk lernen ließ. J.C.Lerch war zweimal verheiratet. Nach dem Tode ihres Mannes heiratete die Witwe Rosina Johann Georg Wagenhofer aus der Kirchberger Pfarre. Nach seinem 1767 erfolgten Tode übernahmen der Sohn aus erster Ehe Franz Anton Xaver Lerch und seine Frau Constantia, geborene Walter. Das Ehepaar bekam vier Kinder.

Lerch war eine unternehmungsfreudige Persönlichkeit. Er betätigte sich als Bräuer, war Pächter der Herrschaft Buchenstein und Verwalter der Herrschaft Thunau. Auch bürgte er mit seinem ganzen Vermögen für den mit ihm verschwägerten Marktschreiber Joseph Walter, damit dieser den Tabakverlag erhielt. Allerdings, so viele Unternehmungen konnten nicht gut gehen. Schließlich gab es einen Berg Schulden und die Lerchs standen vor dem Ruin. Aber die Familie war mit einflußreichen Leuten verwandt und man leitete eine Rettungsaktion ein. Um wirtschaftlich wieder auf die Füße zu kommen, wurde der Sohn Anton Lerch mit der jungen, reichen, aber hochschwangeren Witwe Barbara Altensperger verheiratet. Ihr Mann Felix Altensperger war im März 1788 verschieden,  die Hochzeit fand im Juni statt und im August desselben Jahres  wurde Barbara von Zwillingen entbunden. Das Haus Nr.27 mußte abgestoßen werden, auch das Haus Nr.79 war nicht länger zu halten. Anton Lerch, der das Riemer- und Brauereirecht besaß, mußte sich auf das Haus Nr.4 beschränken. 

Haus Nr.79 wurde von Franz und Constantia Schoppinger um 5800 Gulden erworben. 1812, als Constantia bereits Witwe geworden war, wurde es auf 3090 fl geschätzt. 1820 heiratete Johann Staudinger die Witwe. Schon in der vorhergehenden Generation war es zu einer Verschwägerung der Familien Schoppinger und Staudinger gekommen. 1824 übernahm die zweite Frau Staudingers mit dem Namen Elisabeth, die Witwe geworden war, das Besitztum. Bei ihr wohnte auch Theresia Staudinger, die Tochter eines Lederermeisters aus Marburg. 1828 übernahm Ignaz Staudinger von der Witwe Elisabeth, doch schienen beide nicht harmoniert zu haben, da zwei Jahre später Elisabeth wieder den Besitz übernahm. 1856 übernahm Joseph Staudinger von seiner Mutter Haus und Gewerbe. Er wurde 1855 Vater eines unehelichen Kindes und heiratete 1856 Maria Theresia Wölger. Die gerichtliche Schätzung ergab einen Wert von 13.000 fl.

1880 übernahm der Sohn Joseph Staudinger von seinen Eltern. Auch er war Lederermeister und um 1900 auch Bürgermeister. Er heiratete die Bürgerstochter Theresia  Stelzer, die aber schon mit 24 Jahren an der Volksseuche Tuberkulose starb. Seine zweite Frau Rosa Amalia Saltner holte er sich aus Krain. 1900 folgte der Sohn Johann Staudinger als Besitzer. Ab 1937 sind sein Sohn Alfons Staudinger und dessen Gattin Auguste als Besitzer eingetragen. Auguste, geborene Horvath, war eine Handarbeitslehrerin.

Als Hans Staudinger 1935 verstarb, erschien im Bezirksblatt ein ausführlicher Nachruf. Mit Respekt wird bemerkt, daß er nicht nur Lederhändler war, sondern auch Ehrenhauptmann und Wohltäter der Freiwilligen Feuerwehr von Wies und Obmann des Eibiswalder Obst- und Weinbauvereines. Überdies hatte Staudinger seinen ausgezeichneten Schilcher selbst gekeltert und "...es ist ihm zu verdanken, daß der Schilcher im Grenzland erhalten blieb.”

Sein Sohn Alfons Staudinger wurde während des Zweiten Weltkrieges zum Ortsbauernführer von Eibiswald ernannt. Nach dem Krieg bestand das Lederergewerbe nur noch kurze Zeit, und die Landwirtschaft mit dem Weingarten in Sterglegg gewann für einige Jahrzehnte wieder an Bedeutung. Seit 1976 besitzt die Bankbeamtin Anna Maria Staudinger-Matjas das Haus.

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